Freitag, 27. September 2013

Tanzen lernen ohne Zwänge

Freizeit – Michele de Filippis vermittelt in Groß-Umstadt Freude an der Bewegung – Auch für Erwachsene


Gut im Blick hat Tänzer und Choreograf Michele de Filippis aus Groß-Umstadt seine Schülerinnen – ältere wie jüngere. Für die Aufnahme haben sich zwei Kurse vermischt und einheitliche schwarze Kleidung angezogen. Foto: Karl-Heinz Bärtl
Gut im Blick hat Tänzer und Choreograf Michele de Filippis aus Groß-Umstadt seine Schülerinnen – ältere wie jüngere. Für die Aufnahme haben sich zwei Kurse vermischt und einheitliche schwarze Kleidung angezogen. Foto: Karl-Heinz Bärtl
Der vom Darmstädter Staatstheater bekannte Tänzer Michele de Filippis leitet seit eineinhalb Jahren eine Ballettschule in Groß-Umstadt.
GROSS-UMSTADT.
Bein hoch, Bein runter, rechter Arm im Halbkreis nach oben und den Oberkörper tief über das nach vorne gestreckte Bein gebeugt. Schmale, junge Mädchen im rosa Tütü führen mit der linken Hand an der Stange konzentriert Ballettbewegungen aus. Anweisungen gibt die gestrenge Lehrerin mit zum Dutt hochgesteckten Haaren, die in der Mitte des Saals auf einem Stuhl thront: Diese Art von Unterricht lehnt Michele de Filippis (44) ab: „Tanzen ist Kunst und Freude, will etwas erzählen“, betont der gebürtige Italiener, der in seinen Übungsstunden für Ballett und Modern Dance immer selbst mitspringt und dreht. Seine Schüler sollen die Bewegungen bei ihm abschauen, sie dann mit eigenem Leben füllen. Und zwar „nicht nur einzelne Posen, ich mache Choreografien“.
Ein kleiner Ausschnitt von acht Takten: „Eins, zwei“, zählt de Filippis zur Ballettmusik im Hintergrund. „Verdammt. Ich komme nicht mehr hoch. Wie macht ihr das denn?“, flucht Elevin Petra. Alle lachen. Noch ein Punkt, der Michele de Filippis Tanzschule von anderen Ballettinstituten unterscheidet: Mit Spaß lernen dort nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene wie die 56 Jahre alte Teilnehmerin aus Radheim. Mit Claudia, Doris, Hannelore, Bärbel und Daniela besucht sie jeden Dienstag einen Modern-Dance-Kurs bei Meister de Filippis. Außer der 38 Jahre alten Daniela aus Groß-Umstadt sind alle anderen Frauen in der Gruppe schon um die 50. „Warum nicht? Tanzen ist für alle“, sagt de Filippis.
Seit eineinhalb Jahren hat Michele de Filippis im Keller seines Hauses in Groß-Umstadt sein Ballett- und Dancefactory geöffnet. Montags bis mittwochs gibt er Unterricht, ansonsten trainiert der 44-Jährige dort selbst – für Auftritte mit seinem Zwillingsbruder Giuseppe. „Die nächste Vorstellung ist am 19. Oktober im Pfälzer Schloss in Groß-Umstadt“, kündigt de Filippis an, der mittlerweile auf 25 Jahre Bühnenerfahrung zurückblicken kann, unter anderem in New York, Rom, Brüssel und dem Staatstheater Darmstadt.
„Ich versuche, locker, aber nicht zu locker zu sein. Jeder soll sich verbessern“, sagt der Tanzprofi. „Michele erreicht immer das, was er will“, bestätigt Petra. „Er macht das so geschickt, dass wir es manchmal gar nicht richtig merken.“ Die Frauen beobachten jede seiner Bewegungen genau. Schon diese kurze Passage ist Kunst. „Ich bekomme immer Gänsehaut, wenn jemand gut tanzt“, sagt Daniela beeindruckt. „Den Mut zum Künstlerischen verlernen die meisten Erwachsenen leider“, findet Claudia (42) aus Otzberg. Dazu gehöre, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und die Angst vor einer Blamage loszuwerden.
Petra hat sich mit dem Kurs einen Kindheitstraum erfüllt. „Es ist genau das, was ich mir gewünscht habe.“ Hannelore (58) aus Schlierbach schätzt den Ausgleich zum Alltagsstress und fühlt sich wohl in der Frauenrunde. Bärbel (49) aus Kleestadt mag es, „etwas für mich zu tun, was nicht so hektisch wie Zumba ist und mir dennoch ein Mehr an Beweglichkeit bringt“.
Öffentlich auftreten wollen die Frauen lieber nicht. Überredungskunst ist gefragt. Eine Möglichkeit gäbe es bei der Weihnachtsfeier der Ballettschule am 22. Dezember im Bürgerhaus in Klein-Umstadt, zu der auch Zuschauer geladen sind. De Filippis ist aber keiner, der schnell aufgibt. Er bleibt dran – auf seine ganz eigene Art: stets hartnäckig, aber freundlich.